Vieles spricht dafür, dass der Fahrer einfach eingeschlafen ist“
Kreis-Minden-Lübbecke/Petershagen. Mit fünf Todesopfern, darunter drei Kleinkinder, gehört der Unfall am 14. Juli 2010 auf der Bundessstraße 482 bei Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke zu den schwersten Verkehrsunfällen, die sich im vergangenen Jahr bundesweit ereignet haben. Zur Erinnerung: In einer langgezogenen Kurve war der 59-jährige Fahrer eines VW T 4 frontal mit einem entgegenkommenden Lkw zusammengestoßen. Während der Fahrer und drei weitere Insassen des VW Bulli sofort tot waren, verstarb ein weiteres Kleinkind nur einen Tag später in einer Bielefelder Spezialklinik. Obwohl es zunächst keine Erklärung für den Unfall gab, spricht inzwischen vieles dafür, dass der Kleinbus-Fahrer hinter dem Lenkrad eingeschlafen ist.
In seiner Beitragsreihe „Die Unfallakte“ versucht das VOX-Magazin „auto mobil“ am Sonntag (16.10., 17.00 Uhr – 18.10 Uhr) die Umstände des grausamen Verkehrsunfalls aufzuklären. VOX setzt dabei eine aufwendige Computer-Animation ein, um zu verdeutlichen, dass es für den beteiligten Lkw-Fahrer keine Chance gab, auszuweichen. „Der Bullifahrer ist nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten ganz langsam auf die Gegenfahrbahn geraten. Und obwohl der Lkw-Fahrer noch versucht hat, den Unfall zu verhindern, konnte er nichts mehr tun“, beschreibt Polizeihauptkommissar Wolfgang Bergsieker von der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke in dem achtminütigen Filmbericht den Unfallhergang.
Vor welchen extremen Belastungen die eingesetzten Rettungskräfte standen, schildert Feuerwehr-Einsatzleiter Wilhelm Landree dem VOX-Team: „Bereits bei unserem Eintreffen waren der Fahrer und ein zweijähriges Kind, das auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, tot. Ebenso zwei weitere Passagiere aus dem Fond des Fahrzeuges. Es waren grauenvolle Bilder“, so Landree. Sein Kollege Martin Ruhe spricht bei „auto mobil“ über den Zustand des 41-jährigen Lkw-Fahrers: „Der Mann wirkte eigentlich sehr gefasst, aber das war alles nur Fassade. Er wurde so weit wie möglich von der Unfallstelle weggeführt, weil er keine Details der Bergung mitbekommen sollte“.
Neben Experten des Landeskriminalamtes aus Düsseldorf, die eigens mit einem Helikopter zur Beweissicherung eingeflogen wurden, waren auch die Unfallanalytiker der Dekra im Einsatz. Dipl.-Ing. Uwe Hagemann von der Dekra aus Bielefeld fasst das Ergebnis zusammen: „Es gab Reifenspuren vom Sattelzug. Man konnte sehen, dass der Fahrer im Vorfeld der Kollision stark gebremst und auch im allerletzten Moment noch eine Ausweichbewegung vorgenommen hat. Von dem Transporter hingegen gab es keine einzige Spur an der Unfallstelle. Er ist mit etwa 70 km/h mit dem Lkw zusammengestoßen“.
Erst die umfangreichen Ermittlungen der Polizei in Minden-Lübbecke ergeben ein Bild über die genauen Umstände des Unfalls. Danach befanden sich die sieben Insassen des Transporters aus dem niedersächsischen Nachbarkreis Nienburg/Weser auf dem Rückweg von einer Familienfeier aus England. Sie hatten über 600 Kilometer zurückgelegt und waren die ganze Nacht durchgefahren. Noch in der Nähe von Bielefeld hatte es einen Fahrerwechsel gegeben. Da die Leiche des 59-jährigen Bulli-Fahrers aber nicht obduziert wurde, weiß die Polizei bis heute nicht, ob der Fahrer eingeschlafen ist oder möglicherweise einen plötzlichen Herzkollaps erlitten hat.
Die Kombination der ausgewerteten Spuren und der langen Fahrzeit lässt Unfallanalytiker Uwe Hagemann allerdings zu dem Schluss kommen, dass der Fahrer des verunglückten VW wahrscheinlich einfach nur hinter dem Lenkrad eingeschlafen ist. Dazu gehören vor allem die frühe Uhrzeit des Unfalls und die Tatsache, dass sich die gefährliche Müdigkeit oft auf den letzten Kilometern einer langen Fahrt einstellt. Immerhin ereignete sich der Unfall nur knapp 30 Kilometer vom Heimatort der Familie entfernt. Hagemann: „Dieses Unfallbild ist typisch, denn gerade auf den letzten Kilometern wird dann häufig auf die so notwendige Pause verzichtet. Der Fahrer haben dann nur noch das Ziel vor Augen und dadurch entstehen solche katastrophalen Unfälle“.
Die Frage, wie sich der Unfall vielleicht hätte verhindern lassen können, beantwortet Polizeihauptkommissar Wolfgang Bergsieker so: „Ein zweijähriges Kleinkind hat auf dem Beifahrersitz gesessen. Dies ist aber gerade bei längeren Fahrten der Platz für jemanden, der den Fahrer nicht aus den Augen verliert. Dann hätte es nämlich vielleicht noch die Chance gegeben, ihn anzuschreien, um ihn auf seine Übermüdung hinzuweisen. Und wenn er nicht eingeschlafen ist, dann hätte ein rechtzeitiger Griff ins Lenkrad vielleicht den Unfall verhindert und fünf Menschen das Leben retten können. Das alles aber kann ein Kleinkind natürlich nicht“.
Die Beitragsreihe „Die Unfallakte“ bei „auto mobil“ auf VOX analysiert seit nunmehr vier Jahren besonders schwere Verkehrsunfälle im gesamten Bundesgebiet. Dabei arbeitet das Team ebenso eng wie vertrauensvoll mit beteiligten Polizeibehörden und Unfallanalytikern zusammen. Basis dafür ist ein Runderlass des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, der für die Qualität und Sorgfalt der TV-Reihe spricht. Mit über 90 ausgestrahlten Folgen ist die Serie zugleich das einzige regelmäßige Unfall-Präventionsprojekt im deutschen Fernsehen. Nach der Ausstrahlung bei VOX können die Filme für die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizeibehörden eingesetzt werden.