Minden: „Im Kreis der Gewalt“

Minden(mr/sm). Anlässlich des internationalen Tags „Nein zu Gewalt an Frauen“ von TERRE DES FEMMES am 25. November bieten die Gleichstellungsstellen im Kreis Minden-Lübbecke ein umfangreiches Programm mit zehn Veranstaltungen an, das unter dem Motto „Ein Kreis gegen Gewalt“ steht. Eingebettet in diesen Rahmen ist in Minden am 28. November, 20 Uhr, im Kulturzentrum BÜZ das Theaterstück „Der Schatten der Lawine“ von Lilly Walden zu sehen. Veranstalterinnen sind die Mindener Gleichstellungsbeauftragte Anne Braszeit in Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten aus Hille, Katrin Flemming, und Porta Westfalica, Babette Lissner.

In „Der Schatten der Lawine“ geht es darum, wie wir alle – Betroffene und Nichtbetroffene – mit konkreten Fällen von Gewalt an Frauen und Mädchen umgehen. Aus Sicht der betroffenen Frauen ist die Gewalt, besonders sexuelle Gewalt, ein höchst sensibles und das Selbstwertgefühl angreifendes Problem, über das selten von ihnen gesprochen wird. Lissner: „Gewalterfahrungen sind bedrohlich, verletzend und Angst einflößend. Darüber zu sprechen wird als beschämend und peinlich empfunden. Häufig können Frauen nicht beweisen, dass sie Gewalt ausgesetzt waren und es steht Aussage gegen Aussage.“ Das trägt dazu bei, dass Gewalt häufig nicht angezeigt wird oder bei Anzeige zu keiner Verurteilung führt.

Darüber hinaus wirken – bei Nichtbetroffenen – immer noch viele Klischees, Falschinformationen und Vorurteile, die den Blick auf die Realität verstellen und zu einem unsensiblen, hilflosen, bisweilen auch lächerlich machenden Umgang mit dem Gewaltproblem führen.

Das Theaterstück thematisiert diese Umgangsweisen in satirischer Form als das Gegenbild zu einer wertschätzenden und sensiblen Haltung gegenüber den betroffenen Frauen: „Wie bilden wir uns eine Meinung? Wie stellen wir uns diesem Angst auslösenden Thema der Gewalt und der sexuellen Übergriffe? Welchen Mut entwickeln wir, Stellung zu nehmen und betroffene Menschen nicht zu isolieren, sondern uns an ihre Seite zu stellen? Aber auch: Wie gehen wir mit einer solchen Tat, mit dem Täter um?“, so Lissner für die Veranstalterinnen. Das Theaterstück setzt genau an diesen Fragen der persönlichen Einstellung an. Am Beispiel des Verbrechens an einer Schülerin stellt die Schauspielerin Lilly Walden fünf Männer und vier Frauen aus einem Lehrerkollegium dar, die sich aus ihrer fachlichen Sicht zu der Tat äußern. Sie wollen eine Diskussionsgrundlage für das Gespräch mit den Eltern schaffen. Die Beiträge der Lehrer/innen werden bei dem Versuch, sachlich zu bleiben, jedoch unfreiwillig komisch. Durch aberwitzige und absurde Formulierungen schafft es die Schauspielerin, mit einem schmerzhaften Thema einen schrillen Humor zu provozieren. Es darf gelacht werden, auch wenn nie aus dem Blick gerät, dass das Thema entschieden zum Heulen ist.

Die Initiatorinnen wünschen sich, dass der Theaterabend viele interessierte Frauen und Männer ansprechen wird. Der Eintritt ist frei.

 

„Ein Kreis gegen Gewalt“ – Der Hintergrund

Zu dem Hintergrund des zehn Veranstaltungen umfassenden Programms „Ein Kreis gegen Gewalt“ teilen die Veranstalterinnen mit, dass Gewalt an Frauen in den vergangenen Jahrzehnten durch intensive Forschung und Aufklärung ein Stück weit aus der Tabuzone geholt worden ist. Gewalt ist nicht nur das private Problem einzelner Frauen, sondern ein gesellschaftliches Problem, das verschiedene Ursachen und vielfältige Formen hat und längst nicht überwunden ist. „Bis heute können viele Frauen weltweit nicht frei leben, sondern erleiden tagtäglich Gewalt oder müssen befürchten, dass ihnen Gewalt angetan wird“, so Babette Lissner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Porta Westfalica.

 

„Wir im Kreis Minden-Lübbecke setzen auch weiterhin auf Aufklärung und Information. Gewalt hat viele Facetten. Eine Antwort darauf ist ein vielschichtiges Netzwerk, das betroffene Frauen unterstützt und präventiv arbeitet. Ein solches Netzwerk besteht auch im Kreis Minden-Lübbecke“, so Anne Braszeit, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Minden. Dieses Netzwerk zu stärken und zu erhalten ist eine Aufgabe im Kampf gegen das Gewaltproblem, meint Braszeit: „Immer wieder wird aus Kostengründen auch im Bereich der Frauenhäuser und Beratungsstellen versucht, Einsparungen vorzunehmen. Aber diese Netzwerke sind unverzichtbar, um die Gewalt und ihre Folgen einzudämmen. Präventive Arbeit und Unterstützung der Frauen – und häufig ihrer Kinder – wirkt sich am Ende auch kostensenkend in anderen Bereichen aus.“

 

Konkrete Angaben zu dem Gewaltproblem gibt es für den Kreis Minden-Lübbecke vom Kommissariat Vorbeugung und Opferschutz und von den Frauenschutzeinrichtungen. So wurden 2011 ca. 300 Fälle von häuslicher Gewalt polizeibekannt, 159 Frauen mit 140 Kindern suchten Zuflucht in Frauenhäusern. Häusliche Gewalt und sexuelle Gewalt im nahen Umfeld der Betroffenen überwiegen die Übergriffe durch Unbekannte deutlich. Aber auch diese kommen als Überfälle oder Vergewaltigungen im öffentlichen Raum vor. Katrin Flemming, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Hille: „Um sich schützen und wehren zu können, ist es in jedem Fall von Bedeutung gelernt zu haben, dass persönliche Integrität und Unversehrtheit das Recht aller Menschen ist. Frauen sollten grundsätzlich ihre Rechte und Möglichkeiten kennen, insbesondere dann, wenn sie von Gewalt und sexuellen Übergriffen betroffen sind.“

Anne Braszeit (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Minden), Katrin Flemming (Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Hille) und Babette Lissner (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Porta Westfalica) haben die Schauspielerin Lilly Walden mit ihrem gesellschaftskritischen Stück „Der Schatten der Lawine“ ins Mindener BÜZ geholt.

Aufführung am 28. November, 20 Uhr, im Kulturzentrum BÜZ, Seidenbeutel 1, 32423 Minden. Der Eintritt ist frei.

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