Bad Oeynhausen: „Nicht immer operieren“

Gerade die Wirbelsäulenchirurgie braucht höchste Präzision und Konzentration: Dr. Michael Vahldiek, Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie und sein Oberarzt, Dr. Matthias Hackbart,an ihrem Arbeitsplatz, dem OP-Tisch. Foto:MKK

Bad Oeynhausen(mr). „Eine Operation an der Wirbelsäule birgt Risiken. Doch es gibt mittlerweile schonendere Methoden, eine Wirbelsäule zu stabilisieren oder Wirbelbrüche zu behandeln“, erläutert Dr. Michael Vahldiek, Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie und Ärztlicher Direktor der Auguste-Viktoria-Klinik (AVK).

Der Vorteil einer Schraube

Nicht nur mit Skalpell, Wundhaken oder Spreizern arbeiten die Chirurgen der Spezialklinik der Mühlenkreiskliniken (MKK) jeden Tag im OP. „Auch Zement und Schrauben (Pedikelschrauben) werden häufig verwendet“, bestätigt AVK-Direktor Vahldiek. „Wir spritzen den Zement in brüchige Wirbel und stabilisieren ihn dadurch.“ Diese Methode sei aber nicht neu. „Neu ist die Möglichkeit, in den noch weichen Zement Schrauben einzusetzen, die die Wirbelsäule stärken“, so Vahldiek. Gerade bei älteren Patienten mit Osteoporose werde das Verfahren angewendet.

Wie gefährlich ist die Methode?
In den meisten Fällen bleibe der Zement im Wirbel. „Die Gefahr, dass der Zement austritt, ist gering“, sagt Vahldiek. Das Risiko, dass das Stoffgemisch in das benachbarte Rückenmark wandere, sei aber grundsätzlich da. „Hier muss man abwägen: Profitiert der Patient von einer solchen Operation und lohnt sich das Risiko für den Kranken“, erklärt der Experte.

 

Mit kleinen Schnitten zum Ziel

Viele Operationen an der Wirbelsäule müssen aber nicht mehr wie früher mit einem großen Skalpellschnitt am Rücken vollzogen werden. Oft reiche es, mehrere kleine Schnitte durch die Haut zu machen – eine sogenannte perkutane minimal invasive Stabilisierung der Wirbelsäule. Der Vorteil dabei: „Das darunterliegende Muskelgewebe wird nicht durchtrennt und bleibt heil“, schildert Vahldiek.

Altes bewährt sich

Für größere operative Eingriffe bleiben die Ärzte des AVK jedoch bei der herkömmlichen Variante: „Bei einem Bandscheibenvorfall, wenn ich Nerven freilegen oder Knochen entfernen muss, genau dann ist das gewebeschonende Verfahren nicht von Vorteil“, ist sich Vahldiek sicher. „Habe ich einen Patienten mit einer verkrümmten Wirbelsäule, eine Skoliose, oder müssen Wirbel in die richtige Form gebracht werden, dann wenden wir die alte Variante an“, erklärt der Chefarzt. „Sobald die Wirbelsäule komplett offengelegt werden muss, ist auch ein großer Schnitt notwendig.“ Während des Fortbildungs-Symposiums, zu dem der Chefarzt der Auguste-Viktoria-Klinik eingeladen hatte, gingen die Meinungen über die verschiedenen Operationsmethoden auseinander. Einer der Mitreferenten und Chefarzt der Abteilung für orthopädische Wirbelsäulenchirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Dr. Nils Hansen-Algenstaedt, macht auch große operative Eingriffe auf die gewebeschonende Art mit mehreren kleinen Schnitten am Rücken. Damit lote er medizinische Grenzen aus, ist sich der Bad Oeynhauser Chefarzt Vahldiek sicher. Der Privatdozent zeigte den geladenen Ärzten Möglichkeiten und Grenzen des gewebeschonenden Verfahrens auf.

 

In manchen Fällen lebensrettend

„Insgesamt ist die Zahl der perkutan minimal invasiven Verfahren sprunghaft nach oben gegangen“, erzählt Hansen-Algenstaedt. „Mit der schonenden Methode können sehr kranke Menschen behandelt werden, die ohne dieses Verfahren gestorben wären – für viele meiner Patienten war es lebensrettend“, schließt er. Die minimal invasive perkutane Stabilisierung erziele vor allem für Tumorpatienten einen großen Fortschritt, so der Hamburger Mediziner.

Nicht immer gleich operieren

Wurde früher die Diagnose Bandscheibenvorfall gestellt, begannen die Ärzte kurze Zeit später zu operieren. Das sieht heute anders aus, folgert Oberarzt Dr. Matthias Hackbart von der Auguste-Viktoria-Klinik. „Heute greifen wir nicht zum Skalpell. Wir versuchen für sechs Wochen die Schmerzen so zu lindern, dass der Patient damit gut zurechtkommt“, sagt er. Laut Hackbart verschwinden 70 bis 80 Prozent der Bandscheibenvorfälle nicht, werden aber innerhalb eines halben Jahres symptomlos – ohne dass operiert werden muss.

Patienten profitieren

„Damit man selbst einen guten Überblick über neue Forschungsmethoden behält, ist es wichtig mit den niedergelassenen Kollegen, die die Patienten zuerst behandeln, zu reden“, erläutert Hackbart in seinem Vortrag. „Durch Fortbildungen wie diese lernen niedergelassene Hausärzte neue Operationsmethoden kennen. Oft können sie Patienten, die mit Rückenleiden in die Praxen kommen, selbst behandeln“, davon ist der Oberarzt überzeugt.

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