Minden: Anti-Terror-Poller können nicht in Betrieb gehen

In der Probephase mit Einsatzfahrzeugen sind Softwareprobleme aufgetreten –  RFID-Chips funktionieren nicht überall

Die Polleranlage in Minden kann wegen Softwareproblem nicht scharf geschaltet werden. Foto: Stefan Schröder

Minden. Die sechs versenkbaren Polleranlagen in der Mindener Innenstadt können nicht – wie Anfang November von Peter Wansing, Beigeordneter und Betriebsleiter der Städtischen Betriebe Minden angekündigt – mit Beginn des Weihnachtsmarktes am 22. November scharf gestellt werden. Das ist das Ergebnis einer kurzfristig im Rathaus anberaumten internen Sitzung unter Beteiligung des mit der Errichtung der Anlagen beauftragten Unternehmens sowie der Feuerwehr am Mittwoch (9. November).

Der in dieser Woche angelaufene Probebetrieb musste jetzt aufgrund von Software-Problemen einstweilen ausgesetzt werden, teilt die Pressestelle der Stadt Minden mit. Solange diese nicht zu 100 Prozent gelöst seien, könne die Anlage nicht in den Dauerbetrieb gehen. Daher werde der Weihnachtsmarkt – wie auch in den Vorjahren – mit Schwerlastblöcken vor Terroranschlägen geschützt. Das schreibt das Land NRW bei größeren Veranstaltungen vor. Da, wo es feste Polleranlagen gebe, seien aber keine zusätzlichen Betonblöcke notwendig, so die Ordnungsbehörde.

„Wenn die versenkbaren Poller scharf geschaltet werden, muss sichergestellt sein, dass alle Einsatzfahrzeuge die Fußgängerzone auch außerhalb der Lieferzeiten erreichen können“, geht Wansing auf das entscheidende Problem ein, welches sich in der Testphase ergeben hat. Die Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr sowie Müll- und Straßenreinigungsfahrzeuge der SBM werden mit so genannten RFID-Chips (Abkürzung englisch für Radio Frequency Identification) ausgestattet. „Das ist auch schon weitgehend umgesetzt“, so Wansing.

Nur gebe es bei bestimmten Pkw-Fahrzeugtypen mit beheizbarer und infrarot-reflektierender Frontscheibe ein Problem mit dem Sender. Das sei jetzt bei einem Test festgestellt worden, der erst erfolgen konnte, als alle Anlagen betriebsbereit waren. Das Problem müsse jetzt der beauftragte Fachplaner TSC aus Essen mit dem Hersteller der Chips lösen. Bei Fahrzeugen, die mit dem RFID-Chip ausgerüstet sind, senken sich die Poller ab, sobald sich das Fahrzeug nähert.

Die Installation der Hardware und Steuergeräte an den versenkbaren Polleranlagen gehörte zu den finalen Arbeiten am „Gesamtsystem Poller“.  Ein Test mit den verschiedenen Einsatzfahrzeugen konnte erst jetzt durchgeführt werden, erläutert Peter Wansing. Die letzte versenkbare Anlage an der Ecke Poststraße/Am Rathaus/Großer Domhof sei erst diese Woche komplett fertig geworden.

Sicherheit gehe in jedem Fall vor Schnelligkeit, so Wansing. Deshalb müssten erst die gefundenen Probleme gelöst und auch noch die ausstehende Vernetzung zur Feuerwehr-Leitstelle in Hille aufgebaut werden. „Diese muss in der Lage sein, die Poller im Notfall runter- oder auch raufzufahren, wenn Gefahr von außen droht“, erläutert der stellvertretende Leiter der Feuerwehr Minden, Martin Ruhe. In der Kreisleitelle, die im Feuerwehrtechnischen Zentrum (FTZ) in Hille beheimatet ist, laufen alle Notrufe auf und von hier werden alle Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätze im Kreisgebiet koordiniert sowie die entsprechenden Alarmierungen ausgelöst. Zur sicheren Alarmierung – bei einem Ausfall von Telekommunikationsleitungen – erfolgt dann die Steuerung der Poller durch die Leitstelle. Die Einbindung in das Alarmierungssystem muss noch erfolgen. Dazu sind unter anderem Softwareanpassungen und die Datenversorgung notwendig.

Peter Wansing hatte noch vor einer Woche darauf gehofft, dass die bekannten technischen Probleme schnell gelöst werden können. Nun seien neue hinzu gekommen. Auch konnten noch nicht die zurzeit gültigen Ausnahmegenehmigungen zum Befahren der Fußgängerzone angepasst und geändert werden. Grundsätzlich müssen Anwohner*innen einen neuer Antrag an die Ordnungsbehörde stellen, da weitergehende Daten, wie zum Beispiel die Mobilnummer und über welche Einfahrt die Fußgängerzone befahren werden soll, für die Genehmigung benötigt werden.

Die Begründung der Antragssteller, warum sie in die in der Regel zwischen 10.30 Uhr und 18.30 Uhr durch die Poller gesperrte Zone einfahren müssen, ist weiterhin zwingend notwendig. Die Berechtigten, welche nach Prüfung des Antrages eine Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone erhalten, können dann die Poller an einer, durch das Sachgebiet Verkehrsangelegenheiten der Ordnungsbehörde, zugewiesenen Stelle – nicht an allen sechs Anlagen – über das Handy freischalten und runterfahren.

Auch Handwerksbetriebe können Ausnahmegenehmigungen bei der Ordnungsbehörde beantragen. Diese ist während der Dienstzeiten im Rathaus für den Betrieb der Anlage verantwortlich. Außerhalb der Dienstzeiten und auch am Wochenende liegt die Verantwortung bei der Feuerwehr Minden. Für Ausfälle und weitere Probleme haben die SBM für fünf Jahre einen Wartungsvertrag mit einem Fachbetrieb abgeschlossen.

„Erst wenn alle Probleme gelöst sind und die Anlage einwandfrei läuft, werden die beweglichen Poller scharf geschaltet“, kündigt Wansing an. Einen festen Termin könne er noch nicht nennen, aber alle Beteiligten arbeiteten mit Hochdruck daran, dass die Anlage so schnell wie möglich in Betrieb gehen könne – in jedem Fall nach dem Ende des Weihnachtsmarktes. Farbige LED-Kränze sollen dann signalisieren, ob in die Fußgängerzone eingefahren kann oder nicht. Bei „Rot“ sind die Poller hochgefahren. Dann dürften nur berechtige Fahrzeuge einfahren. Die automatisch eingestellten Zeiten können bei Bedarf von der Verwaltung verändert werden.

Für Lieferungen zwischen 10.30 und 18.30 Uhr sind Ladezonen beziehungsweise Kurzzeitparkplätze am Rande der Innenstadt eingerichtet worden. Die Ladezonen wurden bereits Ende März diesen Jahres vom Bereich Verkehr angeordnet und sind von den SBM inzwischen auch eingerichtet. Die Ladezonen befinden sich in der Königstraße, Domstraße, Marienstraße und am Großen Domhof. Sie sind durch das Schild „Parkverbot“ mit dem Zusatz „Nur für Lieferfahrzeuge“ gekennzeichnet.


Berechtigte Fahrzeuge wie zum Beispiel Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Müllabfuhr oder aber auch Sicherheitstransporter können auch zwischen 10.30 und 18.30 Uhr in die Fußgängerzone fahren. Für Radfahrer*innen gilt – wie bisher auch – in weiten Teilen der Fußgängerzone, dass sie täglich zwischen 10.30 Uhr und 18.30 Uhr absteigen und schieben müssen. „Das gilt auch an Wochenenden“, betont Gunnar Kelb, Leiter des Bereiches Verkehr.

Weitere Informationen zu den Polleranlagen

Von Februar bis Anfang November 2022 sind sechs versenkbare und 14 starre Polleranlagen am Rand der Mindener Fußgängerzone errichtet worden. Ursprünglich sollten die Arbeiten im Sommer beendet sein.

Verzögerungen gab es unter anderem durch krisenbedingte Lieferprobleme bei den Pollern, in der Bauphase wegen sehr vieler unterirdisch verlegter Leitungen und auch wegen Planungsveränderungen. So ist wegen Leitungsproblemen am Standort Poststraße/Deichhof eine starre Anlage – statt einer beweglichen – installiert worden. Der Standort Hufschmiede wurde noch leicht verändert und an dem Standort Poststraße/Feinkost Müller sollten die Poller ursprünglich an der Engstelle errichtet werden. Diese wurden wegen einer geplanten Nutzungsänderung 10 Meter in Richtung Großer Domhof verlegt. Die Geschäftsinhaber, die die Änderung angeregt hatte, haben den Großteil der Mehrkosten in Höhe von 42.000 Euro getragen.

In erster Linie waren Sicherheitsaspekte – nach terroristischen Anschlägen mit Lastwagen in europäischen Innenstädten – der Anlass für die 2018 begonnen Planungen von Polleranlagen der Stadt Minden. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen habe nach mehreren Anschlägen – zuletzt 2017 in Spanien – vermehrt bei den Kommunen sowie die Polizei darauf hingewirkt, für mehr Sicherheit in den Fußgängerzonen und bei Veranstaltungen zu sorgen, so Jäcke weiter. Als Zwischenlösung setzte die Stadt Minden in den vergangenen Jahren Betonblöcke und Wasserbehälter bei größeren Veranstaltungen in der Fußgängerzone und auf innerstädtischen Plätzen ein. Diese seien aber längst nicht so sicher, wie die jetzt installierten Poller. Das hat die Verwaltung auch mehrfach in der Planungsphase deutlich gemacht.

Ein zusätzlicher Aspekt und positiver Nebeneffekt ist, dass sich die Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone verbessern wird. Denn außerhalb der Lieferzeiten ab 10.30 Uhr morgens können Fahrzeuge danach nur noch mit einer Sondergenehmigung in die Innenstadt reinfahren. Das war in der Vergangenheit oft ein Ärgernis für Fußgänger*innen und auch für Menschen mit Behinderungen, die sich beispielsweise an den taktilen Leilinien orientieren müssen oder schlecht an den parkenden Fahrzeugen vorbei kamen.

Anlieger und Geschäftsinhaber wurden in mehreren Veranstaltungen vor dem Beschluss des Rates im Dezember 2019 über die Planungen und die Anlagen informiert. Und auch 2022 gab es noch Gespräche mit Anliegern und Geschäftsinhabern. Einbezogen wurden – für eine bestmögliche Information aller – unter anderem auch die Industrie- und Handelskammer Minden-Lübbecke sowie der Handelsverband und die Werbegemeinschaft. Die Erreichbarkeit der Häuser in der Innenstadt soll zu jeder Zeit der Bauphase gewährleistet sein.

Rund 1,5 Millionen Euro plus Planungskosten und einem Budget für Unvorhergesehenes sind in die Poller-Anlagen geflossen. Die Ausschreibung musste – unter anderen wegen der schwierigen Lage am Baustoffmarkt und bei Chipherstellern verlängert werden. Diese war im September 2021 abgeschlossen. Danach erfolgte die Vergabe an die Unternehmen. Die Tiefbauarbeiten führt ein erfahrenes Mindener Unternehmen als Subunternehmer aus.

Paketfahrzeug durch Poller beschädigt

Ein Fahrzeug eines Paketlieferdienstes sei wohl mit höherer Geschwindigkeit in die Fußgängerzone eingefahren, als es einen Pollertest gab. Der Poller sei in dem Moment hochgefahren worden, als das Fahrzeug darüber fuhr. Der Poller habe aber sofort automatisch gestoppt, so dass beim Drüberfahren die Ölwanne beschädigt worden sei. Der Vorfall wurde von der Stadt zur Anzeige gebracht.

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