Herford / Vlotho(mr/y). Das Unternehmen Meyra Ortopedia wird von der polnischen Medort-Gruppe planmäßig mit Wirkung zum 1. November 2013 übernommen. Dies teilte der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Hans-Peter Burghardt am 31. Oktober 2013 mit. Alle Voraussetzungen für die Übernahme des Unternehmens seien erfüllt, so Burghardt. „Mit der Medort-Gruppe konnten wir einen Investor aus der Branche finden, der dem Potenzial des Unternehmens gerecht wird. Ich freue mich, dass wir das Unternehmen und damit auch viele Arbeitsplätze sowie die weltbekannte Marke erhalten konnten. Das Unternehmen hat wieder eine Zukunft“, sagte Burghardt anlässlich der Übergabe des Unternehmens an den neuen Eigentümer.
Zukunft des Unternehmens durch zügiges Insolvenzverfahren gesichert
Die Verkaufsverhandlungen mit der Medort-Gruppe konnten bereits knapp sechs Monate nach dem Insolvenzantrag erfolgreich abgeschlossen werden. Das Unternehmen hatte wegen drohender Zahlungsunfähigkeit am 25. März 2013 einen Insolvenzantrag gestellt. Burghardt wurde daraufhin vom Amtsgericht Detmold zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. „Es war damals schnell klar, dass das Unternehmen angesichts seiner Größe über viel zu komplexe Strukturen verfügte. Hinzu kamen erhebliche Altlasten aus der Vergangenheit, die viel zu lange fortgeschrieben wurden. Beides zusammen hat das Unternehmen an den Rand des Abgrunds geführt“, sagte Burghardt mit Blick auf den Beginn des Verfahrens. „Deshalb gab es faktisch gar keine andere Möglichkeit als eine Sanierung über ein klassisches Insolvenzverfahren“, so Burghardt weiter. Gleichzeitig sei früh deutlich geworden, dass das Unternehmen sehr kurzfristig einen Partner benötige, um seine Zukunft zu sichern, erläuterte Burghardt. Ende April 2013 war der vorläufige Gläubigerausschuss deshalb einstimmig der Empfehlung Burghardts gefolgt, einen M&A-Prozess für die Suche nach einem geeigneten Investor zu starten. Burghardt beauftragte daraufhin die Mentor AG, Minden / Trier, mit der Durchführung des Prozesses.
Anfang Juni 2013 eröffnete das Amtsgericht Detmold das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Hans-Peter Burghardt, Herford, zum Insolvenzverwalter. Voraussetzung für die Eröffnung des Verfahrens sowie für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs war auch die Gewährung eines Massekredits in Höhe von 850.000 Euro, die auf Vermittlung von Burghardt durch die beteiligten Banken zur gleichen Zeit erfolgte. „Der Massekredit war entscheidend, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten“, sagte Burghardt rückblickend. „Damit wurde wichtige Zeit gewonnen, die für die Suche nach einem geeigneten Investor dringend notwendig war“, so Burghardt. Mitte Juni veranlasste Burghardt darüber hinaus verschiedene Maßnahmen, um die zu der Zeit freien Produktionskapazitäten in der Lohn- und Fremdfertigung an Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie zu vermarkten. Dazu wurden auch Anzeigen entwickelt, die mit Aussagen wie „Tun Sie was Gutes: Retten Sie eine Weltmarke“ oder „Wir machen gern die Arbeit. Sogar von anderen“ andere Unternehmen auf die Produktionskapazitäten bei Meyra aufmerksam machen sollten.
Innerhalb des M&A-Prozesses wurden von der Mentor AG unter der Leitung von Burghardt über 50 Interessenten identifiziert, insgesamt acht Interessenten gaben ein Angebot ab. Der Gläubigerausschuss folgte Burghardts Empfehlung, mit zwei potenziellen Investoren konkrete Verhandlungen zu führen. Die polnische Unternehmensgruppe Medort setzte sich schließlich mit ihrem Angebot durch, die Unterzeichnung des Kaufvertrags erfolgte in der Nacht zum 21. September 2013. „Medort hat das aus Sicht des Unternehmens beste Angebot abgegeben. Zudem wollte Medort im Vergleich zu anderen Angeboten die meisten Arbeitsplätze erhalten“, sagte Burghardt. „Deshalb bekam Medort den Zuschlag.“ Die Unternehmensgruppe Medort produziert und vertreibt Rehabilitations- und Orthopädieprodukte, unterhält rund 70 Outlets und beschäftigt mehr als 350 Mitarbeiter in Polen. Medort gehört zum Portfolio der polnischen Private Equity Gesellschaft Avallon, die Beteiligungen an zahlreichen Unternehmen unterhält.
240 Arbeitsplätze an den Standorten Kalletal und Kiel bleiben erhalten
Der neue Eigentümer von Meyra wird 240 Arbeitsplätze an den Standorten Kalletal und Kiel erhalten. Mit Vertretern der Arbeitnehmerseite wurde ein Haustarifvertrag verhandelt, der eine Laufzeit bis 2022 hat. Zudem hat Medort seine Absicht bekräftigt, die Standorte Kalletal und Kiel zu erhalten. Bei Antragstellung im März 2013 verfügte Meyra über 413 Mitarbeiter. Ende Mai 2013 informierte der Insolvenzverwalter die Belegschaft darüber, dass 149 Mitarbeiter mit Wirkung zum 1. Juni 2013 freigestellt werden müssen, um die Kapazitäten des Unternehmens an die Nachfrage anzupassen und die Kosten zu senken. Ein Abbau von weiteren 43 Arbeitsplätzen wurde im Zuge der Vertragsverhandlungen zur Übernahme des Unternehmens unvermeidbar. Die meisten dieser von Kündigung betroffenen Mitarbeiter sind inzwischen in eine Transfergesellschaft gewechselt, die eine Laufzeit bis Ende Oktober 2014 hat. In dieser Zeit erhalten die Mitarbeiter weiterhin ihr Gehalt und haben die Möglichkeit, Weiterbildungsangebote zu nutzen. „Es gehört fraglos zu den negativen Begleiterscheinungen einer Sanierung, dass ein Stellenabbau oft unvermeidbar ist. Es ist klar, dass mit solchen Entscheidungen natürlich persönliche Schicksale verbunden sind. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass im Zuge einer Sanierung Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit korrigiert werden müssen, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Die Ursachen für solche Fehlentwicklungen liegen oft lange zurück, treten aber oft erst während der Sanierung zu Tage“, sagte Burghardt.
Der Haustarifvertrag für Meyra sieht unter anderem eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden sowie einen Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld bis zum Jahr 2016 vor. Ab 2017 wird die wöchentliche Arbeitszeit wieder schrittweise reduziert. Zudem soll die Belegschaft auch an einem positiven Geschäftsverlauf beteiligt werden. Der neue Eigentümer hat sich in den letzten Wochen der Belegschaft vorgestellt, die operative Zusammenarbeit hat bereits begonnen.
Motivation der Belegschaft und Loyalität der Kunden ausschlaggebend für Sanierung
„Rückblickend muss man sagen, dass die erfolgreiche Sanierung in der äußerst knappen Zeit ohne die anhaltend hohe Motivation und das umfassende Engagement der Belegschaft nicht möglich gewesen wäre. Hinzu kommt ein Höchstmaß an Loyalität durch die Kunden und Geschäftspartner des Unternehmens, das fraglos auf die hohe Qualität der Produkte und Services zurückzuführen ist. Das waren zentrale Voraussetzungen dafür, den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Allen Beteiligten ist ausdrücklich zu danken“, fasste Burghardt zusammen.
Das Unternehmen firmiert ab 1. November 2013 als Meyra GmbH, die Marken Meyra und Ortopedia werden getrennt voneinander fortgeführt. Das Unternehmen wird sich künftig überwiegend auf die westeuropäischen Absatzmärkte konzentrieren.