Kommentar: Mindener Politik-Machtspielchen? Beigeordnetenkandidatin bleibt auf der Strecke

Der Rathaussaal in Minden vor Beginn der Stadtverordnetenversammlung. Foto: Stefan Schröder

Am kommenden Donnerstag wollte der Rat eigentlich mit der Wahl der ersten Beigeordneten endlich den Verwaltungsvorstand wieder auffüllen. Komplett ist er dann noch nicht, da auch noch die Position des Beigeordneten für Bildung und Kultur aussteht. Nun wird daraus wohl nichts, denn die Kandidatin hat offenbar ihre Bewerbung zurückgezogen. Damit gibt es vermutlich am kommenden Donnerstag für die Stadtverordneten nichts zu wählen.

Wie konnte es soweit kommen?

Vorausgegangen waren wiederholte Indiskretionen. So soll bereits einen Tag nach einer nicht-öffentlichen Hauptfinanzausschusssitzung der Name der Kandidatin an das „Mindener Tageblatt“ zusammen mit weiteren Unterlagen weitergeleitet worden sein, dass dann auch ausführlich berichtete. Demnach sollen zwei Frauen und ein Mann eingeladen worden sein, wobei der Mann seine Bewerbung schon vor dem Termin zurückzog.

In einem zweiten Artikel wird über einen Vorwurf gegenüber der Kandidatin berichtet, der sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als Leiterin einer Landesjugendamtes in Hamburg ereignet hatte.

Die Beigeordnetenkandidatin in ihrer früheren Tätigkeit hatte eine Anfrage an den Verfassungsschutz gerichtet, ob Informationen vorlägen, die auch unterhalb der Beobachtungsgrenze zumindest zu einer kritischen Einschätzung geben. Mitarbeitende haben dies daraufhin kritisiert. Jugendverbände protestiert und DIE LINKE in Hamburg eine kleine Anfrage in der Bürgerschaft gestellt.
Sie verweist darauf, dass sie rechtlich korrekt gehandelt habe und Jugendgruppen schützen und die Förderung der Jugendgruppen erhalten wollte. Ihr sei aufgefallen, dass in den Listen eine Organisation stand, die als gesichert linksextrem eingeschätzt worden und Mitglied eines geförderten Jugendverbands war.
Nach dem Vorfall gingen bei der Linksfraktion anonyme Hinweise ein, dass Mitarbeiter offenbar durch die Leiterin gemobbt worden sein sollen. Insgesamt hatte die Kandidatin mehr als acht Jahre die Leitung der Hamburger Landesbehörde.
Schlussendlich würde das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst.

Dies hatte die Kandidatin offenbar auch gegenüber der beauftragten Beratungsfirma erwähnt und die Auflösung auf einer unterschiedlichen Rechtsauffassung zwischen ihr und ihrem Arbeitgeber beruht habe.

Bei der persönlichen Vorstellung habe sie dies aber nicht angesprochen

Vorwürfe erstreckten sich von „linker Kampagne“ bis zu „rassistischen Motiven“

Alles in allem wollte offenbar die Mehrheit der Stadtverordneten die Kandidatin nun offenbar nicht mehr wählen. Einerseits sehen einige Stadtverordnete ihr Vertrauen missbraucht. Andererseits sehen andere eine Kampagne aus der lokalen linken Szene gegen die ausgewählte Kandidatin. Wieder andere vermuten „rassistische Motive“ bezüglich der Anfrage an den Verfassungsschutz, da es sich um eine migrantische Jugendorganisation gehandelt haben soll.

Dies dürfte haltlos sein, da die Beraterfirma die Bewerber bezüglich zahlreicher Merkmale, wie „Genderkompetenz“, „Vermittelt und lebt ein positives Menschenbild steht für eine tolerante und plurale Gesellschaft“,  „Ist versiert im Umgang und der Kommunikation mit verschiedenen Interessensgruppen (Politik, Einwohner*innen, Behörden- und Interessenvertreter*innen, Vereine, Mitarbeiter*innen u.a.)“  abgeklopft haben müsste, denn   diese Merkmale hatte man sich im Juni in der Stadtverordnetenversammlung in einem „Anforderungsprofil“ der Stellenausschreibung formuliert, die mehrheitlich vom Rat abgesegnet wurde.

Vertrauen in Politik und Stellenbesetzungsverfahren der Stadt Minden erheblich geschädigt

Die Entscheidung der Mehrheit der Stadtverordneten, die Kandidatin nicht zu wählen, führte auch offensichtlich dazu, dass die Kandidatin ihre Bewerbung zurückzog. Dies dürfte sich als weiterer Fehler in einem vollkommen verunglückten Verfahren erweisen. Diese Entscheidungen, die Indiskretionen und die mediale Berichterstattung erschweren nicht nur die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, sondern haben auch das Vertrauen in die Politik und das Vertrauen in Stellenbesetzungsverfahren der Stadt Minden erheblich geschädigt. Es bleibt zu befürchten, dass ein neues Auswahlverfahren erneut viel Zeit und Geld verschlingen wird, ohne ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.

Das derzeitige Verfahren und die Suche nach einem neuen Ersten Beigeordneten in Minden ist derzeit auf jeden Fall gründlich gescheitert. Nach einem kostspieligen Verfahren und viel öffentlichem Ärger steht die Stadt jetzt nicht nur wieder am Anfang, sondern muss sich auch noch mit den Folgen der ganzen Affäre herumschlagen. Neben den über 65.000 Euro Kosten, die größtenteils an die Beratungsfirma ZFM gingen, hat das Verfahren auch das Vertrauen in die Stadtpolitik erschüttert. Vor allem die Tatsache, dass vertrauliche Informationen aus dem Auswahlgremium an die Presse gelangt sind, hat das Ansehen der Politik in Minden schwer beschädigt.

Die Kandidatin selbst hat gegenüber dem „Mindener Tageblatt“ betont, dass sie sich auf die Aufgabe in Minden sehr gefreut und bereits erste Schritte zur Einarbeitung unternommen hätte. Insbesondere der Fachbereich Soziales, der in den letzten Monaten erhebliche Probleme und einen Rückstau bei Anträgen verzeichnet, hätte von ihrer Expertise profitieren können. Gerade im Bereich Wohngeld gibt es derzeit große Probleme. Auch hier warten manche Bezieher teilweise mehr als 12 Monate auf einen Bescheid und somit auch auf eine Zahlung.

Die Stadt Minden steht nun vor der schwierigen Aufgabe, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Bewerberinnen und Bewerber zurückzugewinnen und gleichzeitig die dringend benötigte Stelle des Ersten Beigeordneten zu besetzen. Ein erneutes Auswahlverfahren ist unausweichlich, sollte aber sorgfältig vorbereitet werden, um ähnliche Fehler zu vermeiden. Dabei gilt es auch, die Lehren aus dem gescheiterten Verfahren zu ziehen. Jeder Bewerber darf zu Recht die Einhaltung des Datenschutzes gemäß der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einfordern und voraussetzen, dass sämtliche erlangten Informationen auch vertraulich behandelt werden.

Zukünftige Interessenten dürften bei einem Bewerbungsverfahren in Minden zukünftig hier erhebliche Zweifel an der Vertraulichkeit haben und sich aufgrund auch eines Fachkräftemangels in diesem Bereich, sich auch durchaus leisten können, um Minden einen großen Bogen zu machen.

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