Max Bryan: „Die Mindener sind sehr nett und wollen mir helfen“

Max Bryan am Bootshaus der KSG in Minden

 

Minden(mr). Eine Woche blieb der Obdachlose Max Bryan in Minden um vor Ort eine Wohnung zu suchen. Die Menschen in der Stadt empfingen Max Bryan als willkommenen Gast, halfen wo sie konnten und boten ihm für die Woche das Gefühl kein Obdachloser, sondern ein Tourist zu sein. Kurz vor dem Aufbruch zur nächsten Station „Hameln“ haben wir mit Max Bryan über seine Erfahrungen in Minden, aber auch seine Hoffnungen und seine weiteren Ziele gesprochen.

 

Mindener Rundschau: Es ist nun die 3. Woche Ihrer Tour und Sie sind derzeit noch in Minden, gibt es schon erste Ergebnisse und was sagen die Leute vor Ort, jetzt wo jeder Sie dort kennt?

Max Bryan: Die Menschen hier sind sehr nett und wollen mir helfen. Manchmal werde ich sogar erkannt, obwohl ich gar kein Radler-Outfit mehr trage und fast schon in „Zivil“ durch die Stadt laufe. Es ist eine völlig neue Erfahrung. So lange habe ich gesucht und wurde ignoriert, nun kommen die Leute auf mich zu und ich kann mir die Wohnungen fast schon aussuchen. Ich denke, dass ich am Ende dieser Tour nicht mehr obdachlos sein werde.

Mindener Rundschau: Heißt das, Sie haben schon feste Aussicht auf eine Wohnung?

Max Bryan: Ja, es gab Anrufer, die sich aufgrund des Zeitungsberichtes gemeldet haben, die also meine ganze Geschichte schon kennen und auch wissen, welche Hindernisse ich mit mir herumtrage.

Mindener Rundschau: Sie meinen Ihren Container?

Max Bryan: Ja, mein ganzer Ballast eben. Jeder weiß das jetzt und es rufen nur Leute an, die damit kein Problem haben. Das war ja immer das Problem, dass ich in Hamburg zu Besichtigungen kam, wo 20 Leute vor mir schon da waren, die nicht dieses Problem und nicht diesen Ballast hatten und ich so auch immer wieder leer ausging. Dank Wohnungsmelder.org melden sich jetzt nur Leute, die auch willens sind, mir eine Wohnung zu geben, trotz meiner Obdachlosigkeit und trotz all der damit verbundenen Widrigkeiten. Es ist das Konzept von Wohnungsmelder.org – „Menschen für Menschen begeistern“ und ich denke es funktioniert, das hat man hier in Minden auch gesehen.

Mindener Rundschau: Was wenn Sie heute oder morgen eine Wohnung finden, wie geht es dann weiter?

Max Bryan: Ich werde die Tour trotzdem zu Ende fahren, ich sagte ja schon, dass es eine Reise auch zu mir selbst wird und ich den Zugang zur Familie wieder finden muss. Mom geht es sehr schlecht und ich muss erst sehen wie schlecht. Sollte sie Hilfe oder sogar Pflege brauchen, will ich in ihrer Nähe sein, weshalb ich entlang der Strecke auch weitersuche, nur eben ohne den Druck auch wirklich eine Wohnung finden zu müssen.

Mindener Rundschau: Sie haben eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Vom „schwachen Max“ zum „starken Bryan“, wie Sie das trennen und benennen. Wieviel hat die Reise mit diesem Zwiespalt zu tun und wie gehen Sie jetzt damit um?

Max Bryan: Diese Trennung beider „Ich´s“ war notwendig, um nicht verrückt zu werden, ich hatte das an anderer Stelle schon ausführlich beschrieben (Max Bryan – „The Eearly Years“). Wenn du so lange allein lebst und die Schuld mit niemanden teilen kannst, dann teilst du dich eben selbst, in zweier Menschen „Ich“ und es hat mir geholfen, die Schwäche zu besiegen.

Mindener Rundschau: Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie so schwach und hilflos waren, sie wirken jetzt ganz anders, hat die Tour sie verändert?

Max Bryan: Absolut! Es beginnt schon damit, dass die Leute mich nicht mehr als Obdachlosen, sondern als „Radfahrer und Sportsmann“ wahrnehmen und das ist ein gewaltiger Unterschied. Du ernteste damit schon mal 10 Punkte mehr auf der Skala gegen Ablehnung und Ausgrenzung. Egal wo ich auch hinkomme, sie sehen mich nicht als Bettler sondern als Touristen, der hier zufällig eine Wohnung sucht. In Hamburg war das anders, da war ich ständig umgeben, mit den Äußerlichkeiten der Armut und die Wege waren viel länger. Unmöglich, in dieser Stadt ständig zwei Radtaschen mit sich herumzutragen, da blieb nur das alte Package, die Tüte in der einen Hand und die Isomatte mit Schlafsack in der anderen Hand und der Rucksack tat den Rest.

Mindener Rundschau: Da haben Sie Ihre ganze Technik drin, was sagen die Leute zu Ihrer ungewöhnlichen Ausstattung?

Max Bryan: Ein Obdachloser mit Laptop und Handy ist den meisten schon mal grundlegend suspekt, weil sich nichts anderes als ihre Klischees im Kopf haben. Sie denken nicht daran, dass sie morgen selbst ihre Wohnung verlieren könnten und wer von denen würde Handy und Laptop dann wegwerfen? Nur weil ich die Wohnung verlor, muss ich mich von diesen Dingen doch nicht trennen, oder?

Mindener Rundschau: Nein, aber die Leute glauben dann viel eher, dass sie intelligent genug sind, um sich selbst zu helfen und die Hilfe Dritter nicht benötigen.

Max Bryan: Das stimmt und ja, ich bin intelligent und hatte mal einen Beruf, was aber nicht heißt, dass ich deswegen keine Probleme habe. Wer auf der Straße lebt, hat in der Regel immer ein Problem, sei es Alkohol, Drogen oder sonst was, dass die Leute an die Straße bindet und in meinem Fall ist es eben der ganze Ballast und ein halbes Dutzend Phobien, die mir das Leben schwer machen und weshalb ich nicht jedes Angebot annehmen kann.

Mindener Rundschau: Sie meinen die WG-Angebote?

Max Bryan: Ja, die Nähe zu anderen Menschen, meine Angst vor Ansteckung und Krankheiten, das Leben in der Gemeinschaft, ich muss das erst noch lernen, damit umzugehen und bis dahin brauche ich etwas für mich allein, wo ich die Tür hinter mir schließen kann und die Räume mit niemanden teilen muss. Ich bin nicht wählerisch, ich habe nur Hindernisse, die Normalität an sich schon negieren und ich bin eben kein Standard-Mieter.

Mindener Rundschau: Dafür rauchen Sie nicht mal, das dürfte den Vermieter doch freuen, oder?

Max Bryan: Ja und Nein, weil ich dafür tausend andere Dinge habe, die Vermieter eher abschrecken, wie beispielsweise eben auch die Schufa, die stets mit abgefragt wird und aus meiner Ausbildung damals, habe ich heute noch Schulden.

Mindener Rundschau: Sie haben mal im Reisebüro gelernt, warum gehen sie dahin nicht zurück?

Max Bryan: Das ist 20 Jahre her, da müsste ich alles neu lernen und es wäre auch ein zu großer Schritt in die Vergangenheit. Ich muss tun, was ich heute kann und was nicht mit meinen Problemen kollidiert und da gibt es nicht viel.

Mindener Rundschau: Was können Sie denn arbeiten?

Max Bryan: Nichts wo Staub ist und nichts wo Menschen sind. Meine Angst vor Staub und Ansteckung ist gewaltig. Eine Heimarbeit am PC wäre ideal, nur war das bislang nicht möglich, da ich kein „Heim“ hatte.

Mindener Rundschau: Morgen fahren Sie weiter nach Hameln, was sind Ihre Erwartungen und was genau gibt es da jetzt noch zu tun?

Max Bryan: Eine Menge! Ich würde gern mit anderen Obdachlosen sprechen, wie sie das Thema „Familie“ erleben und ob sie ähnliche Erfahrungen mit Mutter oder Vater gemacht haben und was sie an die Straße bindet. Am Ende der Reise muss ich eine Entscheidung treffen und vielleicht hilft mir dieser Erfahrungsaustausch. Ich könnte auch eine Studie machen, entlang meiner Wegstrecke Leute ansprechen, Menschen, die wie ich auf der Straße leben. Es wäre eine gute Sache, wenn „wohnungsmelder.org“ auch anderen helfen könnte, Menschen, die sonst chancenlos sind.

Mindener Rundschau: Sie werden Ihr Wohnungsmelder-Projekt also fortführen?

Max Bryan: Ja, zumindest noch bis zum Ende der Reise und vielleicht auch darüber hinaus. Ich könnte Leute befragen, Fotos machen und einen Text dazu schreiben, schließlich bin ich Autor und wenn es hilft, anderen Menschen eine Chance zu geben, will ich das gerne tun, denn mir wurde damit ja auch geholfen.

Mindener Rundschau: Wir wünschen Ihnen viel Glück bei dem Vorhaben und bedanken uns für das Gespräch.

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