Minden(mr). Am 31. August 2013 wird Europas größter Geflügelschlachthof in Wietze/Niedersachsen umzingelt. Aufgerufen hat das „Wir haben es satt!“ Bündnis. 430.000 Hühner sollen täglich im niedersächsischen Wietze geschlachtet werden. Europas größter Schlachthof für Geflügel wurde mit 6,5 Millionen Euro aus Steuergeldern subventioniert. Der Megaschlachthof ist ein Symbol für die Agrar- und Lebensmittelindustrie, sagen die Initiatoren der Kampagne. Im Vorfeld ruft das Bündnis am vorletztem Wochenende im August zu Deutschlands größten Grill-Demo auf.
Die Aktion in Minden ist Teil der bundesweit ersten Grill-Demonstration, zu der das Kampagnenetzwerk Campact gemeinsam mit dem Bündnis „Wir haben es satt!“ aufgerufen hat. „Hase trifft Tiger“ lautet das Motto der Grill-Demo am 23.August der Umweltgruppe GreenFairPlanet. Vegetarier (Hase) und Fleischesser (Tiger) grillen gegen die Agrarindustrie. Elisabeth Schmelzer ist die Organisatorin der Grill-Demo.
Mindener Rundschau: Frau Schmelzer, es ist eine ungewöhnliche Protestform, zu der Sie aufrufen. Warum eine Grill-Demo und keine Grill-Party oder nur Demo?
Elisabeth Schmelzer: Grill-Partys gibt es ohnehin massenhaft. Grillen gegen die Agrarindustrie – das hört sich nach einem Widerspruch an. „Hase trifft Tiger“, allein das Motto erregt Aufmerksamkeit. Vegetarier ( Hase) und Fleischesser (Tiger) haben gemeinsam das Bedürfnis nach fairem und gesundem Essen. Wir wollen am 23. grillen, genießen, diskutieren, demonstrieren, feiern und kreativ Banner gestalten. Eine Demo wie im Januar in Berlin und im Juli in München mit tausenden Aktivisten, im Januar waren es 25.000, gibt es am 31.8. in Wietze bei Celle. Busse und Sternradtour werden von GreenFairPlanet organisiert.
Mindener Rundschau: Wird mit der Grill-Aktion nicht der Fleischkonsum und dadurch auch die Massentierhaltung gefördert?
Elisabeth Schmelzer: Nein. Jeder Teilnehmer entscheidet, was auf den Grill kommt! Ob vegan, vegetarisch, regionales & artgerechtes oder Bio-Fleisch. Wir haben uns dafür entschieden, niemanden auszuschließen, denn wenn es Veränderungen in der Agrarpolitik geben soll, bedarf es der geballten Kraft aller Vegetarier, Veganer, Flexitarier und Fleischesser. Unser Protest kann nur dann politisches Gehör finden, wenn wir auch Menschen motivieren, denen das Thema noch fern ist und die gern Fleisch essen. Ausgrenzen oder mit dem moralischem Zeigefinger zu kommen, ist aus meiner Sicht der falsche Weg.
Mindener Rundschau: Ziehen Sie mit dieser Ansicht nicht den Zorn der Vegetarier und Veganer auf sich?
Elisabeth Schmelzer: Nein, denn auf den “Wir-haben-es-satt” -Demos gehen jedes Jahr Veganer mit Milch- und Schweinebauern, Hühnerhalter und Imkern auf die Straße. Sie haben sich zusammen geschlossen gegen einen gemeinsamen Gegner: Die Agrarindustrie. Toleranz ist gefragt. Die Meinung des anderen zu überdenken statt Dogmen aufzustellen. Ich möchte niemanden verurteilen, auch wenn ich gerne provokant bin. Die „Wir haben es satt!“ Bewegung macht seit Jahren Kampagnen, die dort ansetzen, wo wir alle konkret etwas zum Wohle der Tiere und Verbraucher in Deutschland verändern können – bei der Agrarpolitik. Viele Menschen wollen Fleisch essen und es ist nicht zu erwarten, dass sie damit schon morgen aufhören. Ich finde: Jedes Essen von gesunden Lebensmitteln zählt. Dazu muss man nicht zu 100 Prozent vegan leben. Für mich ist es wichtig Menschen dazu bewegen, einfach stärker darüber nachdenken, was durch unser Essverhalten ausgelöst wird, wie unsere Ernährung die Umwelt und uns beeinflusst, und welche Alternativen es gibt. Nur gemeinsam können wir den Wandel herbeiführen.
Mindener Rundschau: Wäre es für nicht für das Weltklima und dem Tierschutz besser, sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen sich vegetarische ernähren?
Elisabeth Schmelzer: Ja, wäre es und nicht nur für das Weltklima sondern auch für Böden und Wasser wäre es besser, aber Imperative helfen hier nicht, denn jedes Motiv Fleisch ja oder nein ist ein individuelles und bedarf Toleranz und nicht Widerstand. Denke man nur an Familien wo Fleischesser mit Vegetariern an einem Tisch auskommen müssen und umgedreht. Wir sind nicht die Bevormunder oder Moralapostel. Jeder kann für sich entscheiden. Es muss uns gelingen, Menschen zu erreichen, die gern und viel Fleisch essen, denn das ist ein Großteil der Bevölkerung.
Mindener Rundschau: Warum tun sich gerade Männer so schwer weniger Fleisch zu verzehren?
Elisabeth Schmelzer: Vielleicht liegt es daran, dass Männer den Tiger in ihren Genen haben. Fleischgenuss steht für Stärke und Männlichkeit. Deshalb hat sich die Grill-Industrie erfolgreich auf den Mann konzentriert. Ein Mann ohne Grill und Fleisch kaum denkbar. Es gibt für die Zielgruppe Männer eine Zeitschrift, die man dem Fleisch gewidmet hat. Das Konzept ein Erfolg. Wenn diese Männer darüber nachdenken, woher das Steak auf ihrem Grill kommt, unter welchen Bedingungen es produziert wurde und dann beginnen, umzudenken nach dem Motto: Weniger ist mehr für alle, dann sind wir einen großen Schritt weiter gekommen, weg von der Massentierhaltung hin zu bäuerlicher Landwirtschaft. Die Umstellung auf Bio-Fleisch oder Fleisch aus regionaler bäuerlicher Erzeugung führt zu einem verminderten Fleischkonsum. Veränderungen beginnen im Kopf. Politik beginnt beim Einkauf. Sicher ist, wir werden nicht sofort die Welt verändern, aber wir geben die Richtung vor.
Mindener Rundschau: Essen Fleisch?
Elisabeth Schmelzer: Ja. Allerdings nicht sehr viel. Fleisch ist etwas Besonderes und nicht „mein Gemüse“. Aber darum geht es bei unserer Grill-Demo und der Demonstration in Wietze nicht. Sie heißen auch nicht Vegana contra Fleischesser. Sie heißen: Gemeinsam grillen gegen die Agrarindustrie und „Wir haben Agrarindustrie satt“ Gemeinsam demonstrieren wir für eine bäuerliche, tier- und umweltfreundlichere Landwirtschaft in Deutschland und umzingeln den Megaschlachthof. Unser gemeinsames Ziel ist ein Bundesbaugesetz, das Kommunen ein Verbot von jeglichen Megaställen erteilt. Massentierhaltung mit ihrem unendlichem Tierleid gehört abgeschafft. Wir wollen Bauerhöfe statt Agrarindustrie. Das Höfesterben muss durch eine gerechtere Verteilung der EU-Agrarsubventionen bzw. faire Marktrahmenbedingungen, beendet werden. Wir fordern gesundes, faires und regionales Essen für alle: durch ein ausreichendes Existenzminimum. Wir wollen die Agrarwende und dafür brauchen wir die geballte Kraft aller.
Von einer Grill-Demo habe ich bis jetzt noch nie gehört – die Idee dahinter gefällt mir sehr! Der bewusste Umgang mit Fleisch ist in Deutschland leider noch in den Kinderschuhen, Ideen wie der Veggie Day werden niedergemacht. Gerade in Restaurants finden sich häufig viel zu wenig vegetarische Gerichte http://bit.ly/Zu-wenig-vegetarische-Restaurants Wieso also nicht gemeinsam gegen den unvernünftigen Fleischkonsum angrillen :)?