Deutschland(mr): Eine unabhängige Jury hat das „Unwort des Jahres“ für das Jahr 2014 ausgewählt. Aus 746 „verbalen Entgleisungen“ wählte die Jury das Wort „Sozialtourismus“ aus. Insgesamt erhielt die Jury 1340 Worteinsendungen.
Im letzten Jahr ist die Diskussion um erwünschte und nicht erwünschte Zuwanderung nach Deutschland wieder aktuell geworden. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Politikern und Medien mit dem Ausdruck „Sozialtourismus“ gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa , gemacht.
Das Grundwort „Tourismus“ suggeriere in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit . Das Bestimmungswort „Sozial“ reduziere die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren.
Dies diskriminiere Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu, so die Jury in einer Pressemitteitlung. Der Ausdruck „Sozialtourismus“ reihe sich dabei in ein Netz weiterer Unwörter ein, die zusammen dazu dienen, diese Stimmung zu befördern: „ Armutszuwanderung “ werde im Sinne von „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ursprünglich diffamierend und nun zunehmend und differenziert als vermeintlich sachlich – neutraler Ausdruck verwendet. Mit „Freizügigkeitsmissbrauch “ werde denjenigen, die die in der EU jetzt auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien garantierte Freizügigkeit nutzen, ein kriminelles Verhalten unterstellt. Der Ausdruck „ Sozialtourismus“ treibe die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze.
Für das Jahr 2013 wurden 746 verschiedene Wörter eingeschickt . Die Jury erhielt insgesamt 1340 Einsendungen . Die häufigsten Einsendungen (über 10 Einsendungen), die den Kriterien der Jury entsprechen, waren Supergrundrecht ( 45 mal), Homo – Ehe ( 19 mal), Ausschließeritis ( 16 mal) und Armutszuwanderung/ – einwanderung ( 15 mal). Außer Konkurrenz liefen Einsende – Kampagnen zu den Wörtern Schnabelbehandlung (218mal eingesendet ) und Umstrittene Verhörmethode (26mal eingesendet ).
Die Jury der institutionell unabhängigen Aktion „Unwort des Jahres“ besteht aus folgenden Mitgliedern: den vier Sprachwissenschaftlern Prof. Dr. Nina Janich/TU Darmstadt (Sprecherin), PD Dr. Kersten Sven Roth (Universität Zürich), Prof. Dr. Jürgen Schiewe (Universität Greifswald) und Prof. Dr. Martin Wengeler (Universität Trier) sowie dem Autor und Journalisten Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr der Schriftsteller Ingo Schulze ( www.ingoschulze.com) beteiligt