Kommentar: Nach Bürgermeister-Brief – Besser vernetzen, mit der Politik

Netzwerkkabel (Symbolbild) Foto: Pixabay

Kommentar zum Artikel: Privater Glasfaseranbieter versendet Brief des Bürgermeisters mit Stadtlogo

Manches ist und bleibt für mich unglaublich. Oder mit den Worten eines guten Freundes: „Das ist wieder einmalig in ganz Deutschland.“. Nein, vermutlich nicht, aber es dürfte selten vorkommen.
Dieser Brief mit dem Kopf des Bürgermeisters und dem Stadtlogo und dessen Existenz, Weiterleitung an ein privates Glasfaserunternehmen. Und wie soll man schon die Betreffzeile „Besser vernetzt – mit Weser-Connect“ anders verstehen als werblich. Vom ganzen Rest gespickt mit Marketingbegriffen wie beispielsweise „zukunftssicher“ ganz zu schweigen.

Es wäre bedauerlich, wenn wir die Zukunft an ein stabiles Breitandnetz verpassen, so Bürgermeister Michael Jäcke in seinem Brief.

Aber muss Minden wirklich Angst haben den Anschluss zu verpassen?

Die Schulen in Minden werden oder wurden von „Greenfiber“ im geförderten Ausbau angeschlossen, übergangsweise hat „EWE“ für eine schnelle Leitung auf Kosten der Stadtkasse gesorgt.

Unterversorgte Gebiete werden ebenfalls im geförderten Ausbau durch „Greenfiber“ angeschlossen. Die Gewerbegebiete „Hans-Böckler-Straße“, Arminghausen, Uphauser Weg und Osthafen wurden von der Telekom an die Glasfaser angeschlossen. Eine wichtige Erschließung, da die Betriebe auch tatsächlich schon heute hohe Datenraten benötigen.

Glasfaser-Nordwest war im Süden der Stadt Minden aktiv und die Telekom wird Glasfaser bis ins Haus auch in das Neubaugebiet Lahnstraße/Ederstraße legen.

Im restlichen Teil der Stadt sind glasfaserbasierte Anschlüsse (FTTC) möglich. Besser bekannt ist diese Technik unter dem Namen VDSL. Hier wird die Glasfaser bis in die grauen Verteilerkästen in der Straße geführt. Erst von den Kästen in die Haushalte führen dann Kupferleitungen in die Haushalte. Nicht zu vergessen auch die Möglichkeit sich über das Koaxialkabelnetz anbinden zu lassen.

Die Befürchtungen des Bürgermeisters, dass Minden in den nächsten Jahren abgehängt werden könnte, ist da sehr schwer nachvollziehbar.

Wenn vierzig Prozent nicht erreicht werden, findet kein Ausbau statt, so der Bürgermeister. Stimmt, durch das Unternehmen pts.Weser GmbH, mit dem derzeitig einzigen buchbaren Telekommunikationsangebot „Weser-Connect“, nicht. Aber mit Sicherheit durch ein anderes Unternehmen, denn der Ausbau in Minden ist garantiert attraktiv. Aber derzeit fehlen Bautrupps und das Baumaterial ist im Preis drastisch gestiegen.

Ob das Warten auf ein anderes Ausbauunternehmen bei einem Hausanschluss, der nach der Vorvermarktung und ohne Abschluss einen Telekommunikationsvertrags mit „Weser-Connect“ 1800 Euro kostet so schlimm ist, das ist fraglich. Denn dieser Preis rangiert am oberen Rand der Preisskala.  Der Anschluss in Petershagen-Wasserstraße, ausgebaut durch Northern Access, kostet selbst nach dem Abzug aller Bautrupps 1500 Euro. In den Ausbaugebieten von Glasfaser Nordwest und der Telekom in Minden sind es 799,95 Euro nach einer kostenlosen Vorvermarktungsphase.

Hausanschluss in Bärenkämpen teurer als in Petershagen-Wasserstraße

Wenn pts.Weser GmbH also ausbauen würde, wäre ein Hausanschluss bei der Marke „Weser Connect“ in den betroffenen Stadtteilen, wie beispielsweise Bärenkämpen, teurer als in Petershagen-Wasserstraße. Und erheblich teurer als in den von der Glasfaser-Nordwest und der Telekom ausgebauten Gebieten.

Da es sich um einen eigenwirtschaftlichen Ausbau handelt, kann „Weser-Connect“ seine Preise natürlich völlig frei festlegen.

Unverständlich ist für mich hier daher auch ausschließlich die Unterstützung dieses Ausbaus mit einem Brief mit Briefkopf des Bürgermeisters. Ebenfalls die fehlende Diskussion, Information und die fehlende Einbeziehung der Fraktionen und Parteien im Mindener Rat.

Gerade wenn der Bürgermeister den Glasfaserausbau nun doch zu einem sehr wichtigen Zukunftsthema macht und sich aktiv engagiert. Sollte dann dieses Engagement nicht auf ein starkes demokratisches Fundament gestellt werden? Wäre es nicht eine Sache der Transparenz, die Politik und die Bürgerschaft aktiv in die Debatte und Planungen einzubeziehen?

Dabei wäre eine politische Debatte und ein politisches Engagement für den Ausbau im Glasfaserbereich sogar förderlich und wichtig..

Politik sollte Engagement der Mindener Stadtwerke prüfen

Zu prüfen wäre definitiv auch, ob die Mindener Stadtwerke nicht sogar ein Akteur im Ausbau eines Glasfasernetzes, beispielweise zusammen mit der Telekom, werden könnte.  Hier gibt es durchaus zahlreiche Beispiele. Das geografisch Nächste ist ein gemeinsamer Ausbau der Telekom mit den Stadtwerken Garbsen.  Aber auch mit den Stadtwerken Münster und den Stadtwerken Weinstadt gibt es Kooperationen bezüglich eines gemeinsamen Ausbaus.

Die Wohnungsgesellschaften lehnen einen Ausbau von Glasfaser in ihren Liegenschaften nahezu geschlossen ab. Hier könnten Stadtverwaltung und Politik gute Moderatoren und Vermittler zwischen einem Ausbauunternehmen und den Hausverwaltungen sein.

Und es Bedarf, meiner Ansicht nach, eines offenen Netzes, das eine freie Auswahl des Anbieters zulässt. Nur so dürften hohe Anschlussquoten an das Netz und ein wirtschaftlicher Betrieb perspektivisch möglich sein. Eine offene Netzstruktur erspart dann auch erneute Baustellen, weil ein Anbieter das Glasfasernetz eines anderen Anbieters dann nicht überbaut. Auch das kommt in manchen Kommunen bereits heute schon vor.

Um beim Betreff des Anschreibens zu bleiben. Besser vernetzen, das sollte sich Bürgermeister Michael Jäcke dringend zum Thema Glasfaser mit der Stadtpolitik, den Fraktionen und den fraktionslosen Stadtverordneten.

Es wurde zwar beim Thema Glasfaser Zeit verschenkt, aber es ist nicht zu spät für eine politische Debatte. Die Geschwindigkeiten in den derzeitigen Kommunikationsnetzen in Minden dürften in den nächsten Jahren auf jeden Fall und gerade für Privathaushalte noch mehr als ausreichend sein.

Das sollte auch ein Ansporn für die Politik sein, nicht die erstbeste und anscheinend einfachste Lösung zu wählen, sondern ein gutes Angebot für alle Einwohner zu schaffen.

Redaktioneller Hinweis:

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