Minden(mr/sm). Die Jury hatte eine wirklich gute Wahl getroffen. Das ließ sich am 17. November am tosenden Applaus messen, der den Preisträgern des Kabarettpreises „Mindener Stichling 2012“ im ausverkauften Stadttheater entgegenbrandete. Angefeuert von Moderatorin Lioba Albus in ihrer Rolle als sauerländische Hausfrau Mia Mittelkötter gaben die mehr als 500 Zuschauer/innen im Stadttheater von Anfang alles – auch für den WDR, der die Gala für das Radio in voller Länge aufzeichnete.
Die Preisträger zeigten sich beeindruckt vom begeisterungsfähigen Mindener Publikum.
Zum zehnten Mal vergab die Stadt Minden den 1994 ins Leben gerufenen „Mindener Stichling“, den dieses Jahr Christoph Sieber (Köln) als Solist und „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ (Hannover) als Gruppe von Bürgermeister Michael Buhre in Empfang nehmen durften. Der jeweils mit 4000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre – unterstützt von der Unternehmensgruppe Melitta und der Sparkasse Minden-Lübbecke – verliehen. Auch Moderatorin Lioba Albus (1998), die mit Charme, Biss und Witz glänzte, gehört zu den bundesweit bekannten Stichlings-Preisträgerinnen und -Preisträgern der vergangenen 18 Jahre.
Mit Auszügen aus dem aktuellen Programm begeisterte das Duo „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ im ersten Teil der Gala. Wiebke Eymess und Friedolin Müller trugen als fiktives Liebespaar schlagfertig und intelligent ihren Beziehungszwist auf der Bühne aus. Sie duellierten sich in Rollenspielen und kontroversen Diskussionen. Liebeslieder und schwarzer Humor gaben sich ein Stelldichein, nachdenklich Kritisches traf auf skurrilen Schabernack. „Die Zwei von der Fensterbank sind ein Dreamteam mit Albtraumpotenzial, das sich mit Gitarre und Ukulele bewaffnet zwischen Telemann und Tengelmann, Karl Marx und Marx-Brothers auf die Suche nach einem System im Wahnsinn begibt“, urteilte die Jury im Frühjahr in ihrer Begründung. Und so war’s dann auch in Minden.
Christoph Sieber schaffte in seinem fast 45-minütigen Beitrag den Spagat zwischen ernsthaften, bissigen Passagen und sehr komischen Analysen des heutigen Alltags und fesselte damit das Publikum. Witzig: „Hätte Christoph Columbus ein i-Phone gehabt, wäre er sicher nie nach Amerika aufgebrochen, weil er dann gewusst hätte, wie weit das ist!“ Und bissig: „Von Deutschland geht heute keine Gefahr mehr aus. Ein Einmarsch in Polen würde allein an geografischer Unkenntnis scheitern.“ Die Jury hat mit Sieber einen Kabarettisten ausgezeichnet, „der in den undurchsichtigen Abgründen des Alltags herumstochert und dort seine Themen findet. Zielsicher trifft er damit sein Publikum, das seine eigenen Schwächen mit Begeisterung bejubelt“, lautete die Begründung. Dem wurde Sieber auch vollends gerecht.
Als „Vorgruppe“ traten die Namensgeber des Preises, die „Mindener Stichlinge“ mit zwei Nummern aus ihrem neuen Programm auf, das ab Februar 2013 auf die Bühne kommt. Die Stichlinge sind das älteste, politische Amateurkabarett Deutschlands. Seit 1966 wird jedes Jahr mit wechselndem Programm kräftig gestichelt.