Sarah Wiener: „Lebensmittel werden sinnlos weggeworfen“

Elisabeth Schmelzer mit Sarah Wiener im Pressezelt

 

Sarah Wiener ist Köchin, Unternehmerin und Buchautorin. Sie gilt als Botschafterin der guten Küche und Verfechterin der artgerechten Tierhaltung. Am Samstag war sie Rednerin auf der Großkundgebung in Berlin „ Wir haben es satt“ Elisabeth Schmelzer vom BUND Minden-Lübbecke hat mit Sarah Wiener ein Interview geführt.

Elisabeth Schmelzer. Frau Wiener heute sind 23.000 Menschen nach Berlin gekommen und fordern eine Agrarpolitik, artgerechte Tierhaltung und ein
Menschenrecht auf gesunde Lebensmittel. Ich höre immer wieder das
Argument: Bio ist zu teuer. Frau Wiener wie viel Geld geben Sie
monatlich für Lebensmittel aus?
Sarah Wiener. Die genaue Summe kenne ich nicht, aber ich gebe viel Geld für gute Lebensmittel aus. Allerdings war ich mal Sozialhilfeempfängerin und habe mit wenig Geld meinen Sohn und mich gesund ernährt.

Elisabeth Schmelzer. In Deutschland leben rund 12 Millionen Menschen an der Armutsgrenze und mehr als 1,3 Millionen gehen zur Tafel. Was
empfehlen Sie diesen Menschen, wie Sie sich mit wenig Geld gesund
ernähren?
Sarah Wiener. Resteverwertung. Als Sozialhilfeempfängerin, habe von Resten gelebt. Ich lernte z.B., aus Pellkartoffeln später Bratkartoffeln oder Brei zu machen. Lebensmittel werden sinnlos weggeworfen. Ich brauche auch heute noch alleskomplett auf. Altes Brot in einem Leinenbeutel sammeln und Aufläufe davon machen oder in die Suppe stippen. Vom Tier nicht nur Rücken und Filet essen. Aus Öhrchen, Pfötchen,Kopf lassen sich schmackhafte Gerichte kochen. Es gibt einen großen Irrtum, dass wir jeden Tag etwas anderes essen müssen. Wir sind so verwöhnt! Bauernbrot, Rohmilchkäse und Radieschen wunderbar.

Elisabeth Schmelzer. Ist gesundes Essen ein Luxus, den sich nur wenige leisten können?

Sarah Wiener. Nein. Rechnen Sie mal aus, wie viel Pizza Sie für den Preis einer Fertig-Tiefkühlpizza selbst backen können. Ich empfehle die Gemüsekiste. Das ist 100% frisches, knackiges Gemüse Region von Biohöfen. abgestimmt auf die
Saison und Rezeptideen werden mitgeliefert.

Elisabeth Schmelzer. Essen Sie Fertigprodukte?

Sarah Wiener. Ich esse keine Fertigprodukte. Ich nehme keine Soßenbinder, keine Tütensuppen. Die Lebensmittel, die ich mir zuführe, sind ursprünglich und authentisch. Und das macht schon etwas aus. Wer sagt: Ich habe keine Zeit
zum Kochen, aber 15 Minuten für ein Fertiggericht braucht, der kann auch in
15 Minuten leckere Gerichte machen.

Elisabeth Schmelzer. Ich habe die Serie „Sarah und die Küchenkinder“ auf Arte gesehen. In einer Folge wurde den Kindern gezeigt, wie ein Huhn und
Kaninchen geschlachtet wurden. Das fand ich für die 12 – 14 jährigen
ziemlich brutal.Warum haben Sie das mit den Kindern gemacht?

Sarah Wiener. Kinder sollen wissen woher Fleisch und Eier kommen, wieviel Arbeit und Verantwortung hinter einer artgerechten Nutztierhaltung steckt
Die Kinder haben gesehen, dass es den Tieren gut geht und verstanden, dass
schlachten sein muss, wenn sie Schnitzel oder Chicken Wings essen wollen.

Elisabeth Schmelzer. Essen Sie Fleisch?

Sarah Wiener. Ja, einmal in der Woche mit Genuss. Und den habe ich nur,
wenn ich weiß, dieses Tier hatte ein gutes Leben. Hat den Wind gespürt, in die
Sonne geblinzelt und hat das gegessen, was es artgemäß essen würde. Und ist
nicht als Industrieprodukt gestorben sondern als Mitgeschöpf.
Wir alle wissen längst, dass in der modernen Massentierhaltung eine
Tierquälerei in gigantischem Ausmaß stattfindet. Trotzdem nimmt die Zahl und
Größe der Tierfabriken in Deutschland immer weiter zu. Die Auswirkungen sind
fatal. Die Massentierhaltung bereitet Tieren ein Leben voller Schmerz und
Leiden. Jeder hat eine moralische Verantwortung, sich darum zu kümmern,
unter welchen Bedingungen Fleisch produziert und unsere Lebensmittel
hergestellt wurden. Ich würde nichts essen, wofür Tiere gequält werden.
E.S. Mit Ihrer Stiftung bringen Sie Kindern aus sozial schwachen
Familien das Kochen bei. Was war Ihr Ansporn?

Sarah Wiener. Eltern kochen nur noch selten für ihre Kinder – weil sie es selber nicht mehr können, oder weil sie überlastet sind.Das sind leider keine Einzelfälle mehr. Generationen verlieren derzeit nicht nur elementare Fertigkeiten und die Rückkopplung an unsere Natur, sondern auch die Kontrolle über eine selbstbestimmte, gesunde Ernährung bis ins hohe Alter. Das hat mich motiviert, mit Gleichgesinnten meine Stiftung zu gründen, die durch Projekte und Aufklärungsarbeit Abhilfe schafft. Denn jedes Kind, egal welcher sozialen Herkunft oder Nationalität, hat ein Recht darauf, gesund ins Leben zu starten.
Ich möchte Kindern das Wissen und die Fertigkeiten vermitteln, um sich
selbstbestimmt und bewusst ernähren zu können. Essen soll etwas Wertvolles
für sie sein, das sie genießen können.
Wer selbst kocht leistet einen aktiven Beitrag für eine lebenswerte Zukunft.

Elisabeth Schmelzler. Vielen Dank Frau Wiener

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