Hameln/Minden/Kreis-Minden-Lübbecke(mr). Am Samstag, den 29.09.2012 wurden einer Gruppe von rund dreißig Besuchern aus Minden im Tagungszentrum des Hotels Stadt Hameln zwei Vorträge zu den bisherigen Auswirkungen der ECE Stadtgalerie Hameln auf den hiesigen Einzelhandel und die Stadtwirtschaft angeboten. Der Unterzeichner hatte Gelegenheit, auf Einladung der Ratspartei „Die Linke“ im Mindener Stadtparlament, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Ich (Dr. Klaus Peter Möller Anm. der Redaktion) wurde begleitet von Herrn Bernhard Renner, einem Schreibwarenhändler und Centergegner aus Hameln, dessen Ladenlokal unmittelbar neben dem Haupteingang des Centers liegt (und der trotzdem Umsatzrückgänge hat).
Hauptredner war Herr Wolfgang Kaiser, ehemaliger Bauamtsleiter in der Stadtverwaltung Hameln und Frau Schubert, die aktuelle Centermanagerin. Schon beim Betreten des Tagungsraums war Herrn Kaiser die Überraschung, mich dort zu sehen, anzumerken. Ich war froh, eine Teilnahmekarte aus Minden vorweisen zu können, vermutlich wäre ich sonst unter Hinweis auf die „geschlossene Veranstaltung“ aus dem Saale gewiesen worden.
Das Referat des Hauptredners dauerte etwa 40 Minuten. Es enthielt interessante Abbildungen mit Erläuterungen zur Geschichte Hamelns, beginnend mit der „Rattenfänger-Sage“, Bildern der Festung Hameln und deren Zerstörung durch Napoleon. Nach dem geschichtlichen Überblick (20 Minuten) folgte die Vorgeschichte des Centerbaus, welches, ähnlich wie in Minden, auf der erweiterten Fläche eines ehemaligen Hertie-Kaufhauses (später REAL) entstanden ist (10 Minuten). Auch dieses Kaufhaus wurde Anfang der 70er Jahre, gegen den Widerstand der Bevölkerung, zugunsten eines externen Investors von der damaligen Ratsmehrheit durchgedrückt, wobei rd. 15% des Gebäudebestands der historischen (im 2. Weltkrieg nicht zerstörten Altstadt) abgerissen werden mussten.
Nach einer guten halben Stunde näherte sich der Redner dem Thema (Auswirkungen…..) und behauptete: das Einzugsgebiet der Stadt habe sich durch die Stadtgalerie ausgeweitet, die Zentralität der Stadt (Verhältnis von einheimischer gegenüber dem Einzelhandel ausgeübter Kaufkraft zum Gesamtumsatz des Innerstädtischen Einzelhandels) sei angestiegen, die Einzelhandelsmieten in der Altstadt seien von überdurchschnittlich (im Durchschnitt vergleichbarer Mittelzentren) bis 2008 nur auf den Bundesdurchschnitt zurückgegangen.
Insgesamt habe die Stadtgalerie die Stadtwirtschaft Hamelns gestärkt (Zeitungsausriß mit Zitat OBn Lippmann). Für den Auswirkungsteil brauchte der Redner 10 Minuten. Auf der negativen Seite sei zwar ein leichter (!) zusätzlicher Leerstand aufgetreten (es wurden einige Bilder gezeigt), der sei aber heute, vier Jahre nach der Centereröffnung, kein Problem mehr. Die Innenstadt sei voll und lebhaft, die Teilnehmer könnten das beim Rundgang gleich sehen.
Es folgte ein platter, rein werblich aufgemachter Bericht der Centermanagerin Schubert, in dem, neben den unbestreitbaren Fakten wie Größe, Anzahl der Geschäfte, Anzahl der gezählten Besucher (Stichprobe Pfingstwochenende 2010) auch mehrere nachweisbar falsche Behauptungen aufgestellt wurden.
Unwahr ist, dass 74 neue Einzelhandelskonzepte (meist Textillabels) neu nach Hameln gekommen seien, wahr ist vielmehr, dass mindestens 60 der aufgezählten Marken vorher in der Fußgängerzone angesiedelt waren oder von örtlichen Einzelhändlern geführt wurden.
Unwahr ist weiter, dass 40% (es wurde nicht klar von was, Fläche, Marken?) der Geschäfte im Center an Einheimische vermietet seien, wahr ist, es sind höchstens 6% (davon 2 Bäckereien).
Über Umsätze im Center wurde sich tunlichst ausgeschwiegen, die einzige verfügbare Zahl ist die für 2009 genannten 62 Mio. €.
Danach wurde Herrn Wellner Senior (vom örtlichen Textilhaus) als moderatem Centerkritiker (offenbar auf Veranlassung des Textilhauses Hagemeyer in Minden), das Wort erteilt. Herr Wellner outete sich als Befürworter des Centers (war schon immer dafür, allerdings nicht in der realisierten Größe von 20.000 qm, 12 bis 14 Tausend hätten gereicht).
Seine Erfahrungen: Umsatzrückgang von 15% (entsprechend 1 Mio. €), der sich bis heute als manifest erwiesen hätte, Frequenzrückgang (Anzahl der Kunden) um 25%. Wellner hat (auf Initiative seines Sohnes) selbst zwei Markenshops (Tommy Hilfinger, Esprit) im Center aufgemacht, diese seien in den ersten Zwei Jahren „eine Katastrophe“ (Vater zum Sohn: wie konntest Du mir das antun?) gewesen, heute hätte es sich einigermaßen „zurechtgezogen“.
Danach sollte eigentlich eine Diskussion einsetzen, es kamen aber nur zwei Fragen. Als der Veranstaltungsleiter Kaiser schon zum Essen ins Restaurant drängte, erhob sich im Publikum Protestgemurmel und der Ruf, auch kritische Stimmen hören zu wollen.
Ich habe mich dann zu Wort gemeldet und wurde, sehr zögerlich und mit der Mahnung, keine Zahlendiskussion anzuzetteln, zugelassen. Ich habe dann ca. 10 Minuten gesprochen und versucht, wenigstens die gröbsten Unwahrheiten und Auslassungen richtig zu stellen.
. Ich habe auf die Arbeiten der Hafencity Universität in Hamburg hingewiesen, die zweifelsfrei festgestellt hat, dass kein Mittelzentrum mit Center sich einzelhändlerisch besser entwickelt habe als die Mittelzentren „ohne“, habe dann auf den erst nach 2008 einsetzenden Mietenverfall hingewiesen der inzwischen ein Ausmaß von 65% erreicht hat, weiter auf den nach wie vor anhaltenden Umzug von Filialisten aus der Stadt ins Center (z.B. jüngst S. Oliver), auf die hartnäckigen Leerstände in der Oster- und Bäckerstraße und auf die, gegenüber dem anschließenden Stadtrundgang grundsätzlich andere Situation in der Innenstadt im Winter, wenn die zahlreichen Cafehaus Stühle nicht mehr da seien und viele Lokale geschlossen hätten.
Als Beispiel für die stabile Entwicklung einer Innenstadt ohne Center habe ich Celle genannt, wo 2005 und 2011 jeweils Angriffe von ECE und GEDO abgewehrt worden sind. Gefühlt war der Beifall am Ende dieses kurzen Statements stärker als bei den beiden Vorrednern.
Im abschließenden Small Talk stellte ich dann fest, das neben mir Michael Buhre, Bürgermeister der Stadt Minden gesessen hatte, der mir dann seine Sorgen wegen des immer dominanter werdenden Porta Centers mitteilte. Daran schloß sich ein Gespräch mit einem Vertreter der Firma Hagemeyer an.
Beiden Herrn habe ich meine Karte gegeben und Hilfe angeboten. Beim Hinausgehen wurde ich dann von dem aktuell zuständigen ECE Manager in Minden, der Name ist mir leider entfallen, regelrecht angepöbelt wegen meines Lobs der Stadt Celle. Diese wurde von ihm als absolut kaputt (nur noch Telefonshops, Ein Euro Läden und Nagelstudios) bezeichnet. Meine positive Darstellung sei Quatsch und absoluter Blödsinn. Konnte nur meine positiven Erfahrungen dagegen stellen. Am Essen, Stadtrundgang und Besichtigung ECE habe ich nicht teilgenommen.
Hameln, den 01.10.2012
Dr., Klaus Peter Möller
Mitglied im Pestel Institut und
Deutsche Gesellschaft Club of Rome
Büro für Systemanalysen
Dr. Klaus Peter-Möller erstellte 2010 die Studie „Wirkung innerstädtischer Einkaufscenter auf die Stadtwirtschaft in Mittelzentren – Beispiel: Stadtgalerie Hameln. Sie finden diese Studie in unserer ECE-Linkliste. Alle Mindener Rundschau-Berichte zum Thema ECE und Wesertor lesen Sie hier.
Optimale Lösung für Minden wäre eine Überdachung der Bäckerstraße!