Marcel Reich Ranicki ist tot

Mainz (mr/ots) Das ZDF trauert um Marcel-Reich-Ranicki, den „Herrn der Bücher“, der durch die legendäre ZDF-Sendung „Das Literarische Quartett“ zum bildschirmpopulären „Literaturpapst“ wurde. Sein Urteil war bei Autoren durchaus gefürchtet. Entweder totaler Veriss oder überschwengliches Lob. 

Marcel Reich-Ranicki wurde durch die ZDF-Sendung "Das literarische Quartett" der bekannteste Literaturkritiker Deutschlands Foto: ots/ZDF
Marcel Reich-Ranicki wurde durch die ZDF-Sendung „Das literarische Quartett“ der bekannteste Literaturkritiker Deutschlands Foto: ots/ZDF

ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut würdigte den vielfach ausgezeichneten Literaturkritiker in Mainz: „Marcel Reich-Ranicki konnte polarisieren wie wenige andere. Seinem Motto ‚Die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritiker‘ ist er immer treu geblieben. Und das auf seine ganz besondere Art, authentisch, glaubwürdig, unverwechselbar. Mit seiner deutschen, polnischen und jüdischen Biografie war er auf eine ganz außerordentliche Weise mit der Geschichte und Kultur unseres Landes verbunden.“

Bellut erinnerte an die großen Verdienste Reich-Ranickis für das ZDF: „‚Das Literarische Quartett‘ war die erfolgreichste Büchersendung aller Zeiten, eine idealtypische Talkshow mit Kultcharakter. Wir haben Marcel-Reich-Ranicki viel zu verdanken und er wird uns allen fehlen.“

Am 25. März 1988 wurde im ZDF „Das Literarische Quartett“ mit Marcel Reich-Ranicki an der Spitze aus der Taufe gehoben: Neben Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler, auf die später Iris Radisch folgte, nahm jeweils ein weiterer prominenter Literaturkritiker teil. Nach 13 Jahren, 77 Sendungen und etwa 400 Buchbesprechungen war am 14. Dezember 2001 „der Vorhang (endgültig) zu, und alle Fragen offen“.

Marcel Reich-Ranicki wurde als Marceli Reich am 2. Juni 1920 in Wloclawek an der Weichsel geboren. Von 1929 an ging er in Berlin zur Schule  und durfte noch 1938 sein Abitur ablegen, während ihm als Juden an der (heutigen) Humboldt-Universität in Berlin ein Studium verwehrt blieb. Später wurde er nach Warschau deportiert, wo er ab 1940 im Ghetto lebte, unter dramatischen Umständen seine Frau Teofila kennen lernte und heiratete. Das Paar überlebte den Holocaust im Versteck.

Seit 1958 lebte die Familie wieder in Deutschland. Reich-Ranicki war zunächst, von 1960 bis 1973, Literaturkritiker bei der „Zeit“ in Hamburg und schließlich bis 1988 Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Jahr 1999 legte er unter dem Titel „Mein Leben“ seine vielbeachteten Memoiren vor. Zu seinem reichhaltigen Lebenswerk zählen auch die vielbändige „Frankfurter Anthologie“, die größte Lyriksammlung der Welt, und die fünfteilige Ausgabe „Der Kanon. Die deutsche Literatur“.

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